(Auto-)Biografien

 

 
 
Raphaela Ahnert: Das verbotene Ich. Lebenswege eines Transsexuellen.
Bonz-Verlag, Salzgitter 2000.
 
Wer sich für Transsexuelle einer älteren Generation interessiert und noch dazu erfahren möchte, welche Entfaltungsmöglichkeiten sie in der DDR hatten, findet dieses Buch informativ. Es ist rührend und führt in eine andere Zeit. Aber es wirkt doch in mancher Hinsicht etwas verstaubt. Die Zeiten haben sich gottlob geändert. Trotzdem nicht uninteressant.
 
 
 
April Ashley: The First Lady.
John Blake, London 2006.
 
April Ashley hat in Großbritannien ungewollt Rechtsgeschichte für Transsexuelle geschrieben, als ein Gericht ihre Ehe im Jahr 1970 in einem Scheidungsprozess für nichtig erklärte. Der Richter begründete seine Entscheidung damit, dass sie als Mann geboren worden sei und dass es nach englischem Recht nicht möglich sei, den Personenstand zu wechseln. Da sie nach Auffassung des Richters demnach ein Mann sei, habe sie auch keinen Mann heiraten dürfe. Dieses Urteil hat bis vor wenigen Jahren einer Personenstandsänderung für britische Transsexuelle im Wege gestanden.
 
In ihrer Autobiografie schildert Ashley als Dame im reifen Alter ihr schillerndes Leben. Geboren wurde sie als Junge in Liverpool im Jahr 1935. Als Jugendlicher entfloh sie den bedrückenden Verhältnissen ihrer Unterschichtfamilie, zunächst nach London und dann nach Paris. Dort trat sie in Travestie-Shows auf und lernte andere TS-Legenden wie Coccinelle und Amanda Lear kennen. Travestie war ihr aber zu wenig. Mit 25 Jahren unterzog sie sich bei dem undurchsichtigen Chirurgen Dr. Bourou in Casablanca einer geschlechtsangleichenden OP, die mit einigen Komplikationen verbunden war. Anschließend lebte sie ein Jetset-Leben in Paris, Rom, London und an der Cote d’Azur. Sie hatte Affären mit mehr Filmschauspielern, Musik- und Showstars als man sich beim Lesen merken kann. Für Modezeitschriften wie Vogue war sie Model und in einigen Filmen trat sie in Nebenrollen auf, aus deren Abspann sie aber getilgt wurde, nachdem ihre Transsexualität bekannt geworden war.
 
Im Jahr 1963 heiratete sie den britischen Aristokraten Arthur Corbett, der später zum Baron Rowann ernannt wurde und der für sie seine Frau und vier Kinder verlassen hatte. Eine Partnerschaft mit einer Transsexuellen war für seine Familie damals aber noch derart anrüchig, dass sie massiv Druck auf ihn ausübte, sich wieder von ihr zu trennen. Dies hatte nach einigen Jahren auch Erfolg und endete in dem fatalen Scheidungsprozess, der für April Ashley das praktische Aus ihres Jetset-Lebens bedeutete.
 
Auch wenn mir die Lebensumstände und das Lebensgefühl von April Ashley fremd sind, so finde ich sie und ihr Leben dennoch faszinierend, vor allem weil sie deutlich macht, was in den 1960er Jahren möglich war und wo die Grenzen für transidentische Menschen lagen. Das Buch bietet einen schillernden Einblick in eine Zeit, die noch gar nicht so lange zurück liegt, uns aber heute doch sehr fern erscheint.
 
 
 
Lisa Anusch: Der Traum von Freiheit.
Verlagshaus Hilby, 2004.
 
In diesem Buch protätiert die Publizisten Lisa Anusch in autobiografischer Form zwei Transsexuelle: die 14jährige Johanna und die 42jährige Elke. Über Johanna haben Fernsehen und Presse in letzter Zeit mehrmals auf sehr einfühlsame Weise berichtet. Nicht nur sie selbst und ihre Familie, sondern auch die Ärzte haben ihre Transsexualität schon in diesem jungen Alter bestätigt. Sie lebt als Mädchen. Die Ärzte haben einer Hormonbehandlung zugestimmt, um die Vermännlichung durch die Pubertät aufzuhalten, ihr ein Leben als Mädchen zu ermöglichen und die spätere Operation zu erleichtern. Elke hat dagegen ein schweres Schicksal hinter sich. Das Buch zeigt auf, dass eine Transition in jungem Alter möglich ist. Es ist ein glaubwürdiges Plädoyer für Familienangehörige, ihre Kinder ohne Vorurteil bei der Findung einer neuen Geschlechtsrolle aktiv zu unterstützen.
 
 
 
Lisa Anusch: Ein Leben unter Geiern.
Verlagshaus Hilby, 2003.
 
Dieses Buch von Lisa Anusch kann ich weit weniger empfehlen als "Der Traum von Freiheit". Die Autorin porträtiert in autobiografischer Form die TranssexuelleMaria, die nach einer Odyssee durch verschiedene Nachtclubs 
zu einem normalen Leben als Frau findet. Da in dem Buch auf Orts- und Zeitangaben weitgehend verzichtet wird, fällt es schwer, diese Lebensgeschichte in einen Kontext einzuordnen. Man weiß nicht, ob sie in den 50er, 60er, 70er oder 80er Jahren spielt. Einige Geschichten wirken außerdem sehr unrealistisch, so dass man sich beim Lesen oft fragt, ob das nun eine wirkliche oder eine erfundene Biografie ist. Man hat das Gefühl, dass sich Reales und Fiktives vermischen. Es fällt mir schwer, das Lesen dieses Buches zu empfehlen.
 
 
 
Jennifer Finney Boylan: She’s not there
Broadway Books, New York 2003.
 
Dieses Buch ist weit mehr als nur eine weitere Autobiografie einer Transsexuellen. Jennifer Finney Boylan ist Schriftstellerin und Professorin für Literaturwissenschaft aus dem US-Bundesstaat Maine, die sich vor vier Jahren im Alter von Anfang 40 entschloss, nicht länger als Mann zu leben, sondern als Frau, und damit Inneres und Äußeres in Einklang zu bringen. Ihre geschlechtsangleichende Operation hatte sie vor zwei Jahren. Sie beschreibt höchst unterhaltsam und zugleich anspruchsvoll, wie sie über die Jahre mit dem Widerspruch zwischen gelebter Männerrolle und weiblicher Identität umging und wie sie den Wechsel in die Frauenrolle vollzog. Ihre Ehefrau und ihre beiden Söhne halten zu ihr, auch wenn sie den Ehemann und den Vater verlieren. Auch ihre Freunde in der ländlichen Universitätsstadt, in der sie lebt, nehmen sie vorurteilsfrei als Frau auf. Das Buch ist eine wirklich gelungene Mischung aus Autobiografie und Fiktion. Das Nachwort stammt von dem besten Freund der Autorin, Richard Russo, einem Buchautor, der im Jahr 2002 mit dem renommierten Pulitzer-Preis ausgezeichnet wurde. In seinem Nachwort beschreibt er den Verlust eines Kumpels und den Gewinn einer neuen Freundin.
 
Dieses Buch ist wirklich eines der besten und schönsten über Transidentität, das ich je gelesen habe. Trotzdem sind bei mir am Ende einige Fragen offen geblieben. Irgendwie ging mir alles zu glatt bei dem Rollenwechsel. Negative Reaktionen, zum Beispiel die Ablehnung durch die Schwester, werden höchstens angedeutet, aber nicht vertieft. Am Ende fragt man sich auch, ob die Harmonie in der Familie hinreichend stabil ist und die Freunde wirklich bleiben. Die Konflikte werden angesprochen, aber nicht zu Ende gedacht. Spannend fände ich eine Fortsetzung des Buches in einigen Jahren. Mich würde doch sehr interessieren, ob die Partnerschaft mit der Ehefrau der Autorin hält, ob die Kinder auch noch in der Pubertät zu ihr stehen, und wie sich die Freundschaft zu Richard Russo weiterentwickelt.
 
 
 
Nadia Brönimann, Daniel J. Schüz: Die weise Feder. Hat die Seele ein Geschlecht?
Zytglogge Verlag, Bern 2001.
 
Nadia Brönimann ist eine Transsexuelle mit einer traumatischen Kindheit und Jugendzeit. Sie ist in Heimen und bei Pflegeeltern als Junge aufgewachsen, hat sich in verschiedenen Ländern als Strichjunge und Travestie-Tänzerin herumgetrieben, Erfahrungen mit Drogen gesammelt und ist durch fast alle Tiefen gegangen, die das Leben bringen kann. Erst als sie sich entschließt, ganz als Frau zu leben und eine geschlechtsangleichende Operation anstrebt, gewinnt sie wieder festen Halt im Leben. Das Buch ist spannend geschrieben. Aber die Hauptperson ist doch sehr extravagant. 
 
 
 
John Colapinto: Der Junge, der als Mädchen aufwuchs.
Wilhelm Goldmann Verlag, München 2002.
 
Dieses Buch schildert den Fall eines Jungen, dem bei einer Routineoperation als Baby unbeabsichtigt die Genitalien zerstört wurden und dann auf Anraten eines Arztes als Mädchen erzogen wurde. Obwohl das Kind über sein wahres Geschlecht nicht aufgeklärt wird, lehnt es sich gegen die Mädchenrolle auf und entscheidet sich als Jugendliche, künftig als Junge zu leben. Dieser authentische Fall hat großes Aufsehen erregt, weil er die Behauptung vieler Sexualforscher, man könne durch eine entsprechende Erziehung eine geschlechtliche Identität in einem Menschen fast beliebig erzeugen, erschüttert. Der Fall exakt dieses Kindes wurde nämlich in der Wissenschaft als Beleg für die Manipulierbarkeit der Geschlechtsidentität gewertet, bis es sich gegen die verordnete Identität auflehnte. Das Buch enthält viele Gedankenanstöße auch für Transgender.
 
 
 
Michelle Engelke: 45 Jahre im falschen Körper. Der Leidensweg eines Transsexuellen in Deutschland.
Books on Demand GmbH, Norderstedt 2002.
 
Ich weiß nicht, was ich von dieser Autobiografie halten soll. Die Autorin ist eine Transsexuelle, die vielen Anfeindungen ausgesetzt war und zahlreiche Schikanen durch ihre Familie und ihre Freunde erlitt. Trotzdem drängt sich beim Lesen immer wieder die Frage auf, welchen Anteil die Autorin selbst an ihrer schweren Lage hat. Sie beschimpft immer wieder Personen aus ihrer unmittelbaren Umgebung und kündigt an, den Kontakt mit ihnen abzubrechen. Wenige Tage später hat sie es sich dann wieder anders überlegt. Aus ihren Darstellungen gewinnt man den Eindruck, dass die Autorin eine durchaus schwierige Persönlichkeit hat und wundert sich immer weniger über die harten Reaktionen ihrer Umgebung. Die Sprache des Buches ist oft befremdlich, die Gedanken sind nicht von großem Tiefgang geprägt. Das Buch befasst sich sehr stark mit ganz banalen Dingen des Alltags, die man nach einigen Seiten Lesen satt hat. Im Vorwort schreibt die Autorin ganz offen, dass finanzielle Motive für das Schreiben des Buches von Bedeutung waren. Auch wenn ich wirklich Mitgefühl für ihre schwierige Lage empfand, so frage ich mich trotzdem, ob dies als Grund für den Kauf des Buches ausreicht. Das einzig Informative an ihm sind Abdrucke ihrer Gutachten und ärztlicher Berichte im Anhang.
 
 
 
Leslie Feinberg: Träume in den erwachenden Morgen. Stone Butch Blues.
Krug & Schadenberg, Berlin 2003.

Dieses Buch ist die deutsche Übersetzung des Transgender-Klassikers "Stone Butch Blues". Das Buch beschreibt die Geschichte von Jess, die in den 60er Jahren als Teenager von zu Hause ausreißt, weil sie die klassische Mädchenrolle, die sie nach den Erwartungen ihrer Eltern einnehmen soll, ablehnt. Sie treibt sich in Lesben-Bars herum und lebt von Gelegenheitsjobs. Ihre Vorbilder sind "Butches", Frauen, die in lesbischen Beziehungen die Männerrolle einnehmen. Wie diese lehnt sie das Tragen weiblicher Kleidung ab, liebt schwere Motorräder, sucht mit Vorliebe körperlich schwere Industriearbeiter-Jobs und steht auf "Femmes". Nach einigen romatischen Beziehungen und mehreren großen Enttäuschungen entschließt sie sich dazu, männliche Hormone einzunehmen. Aber auch dies stellt sie nicht wirklich zufriden. Sie fühlt sich nicht als Mann, sondern ist irgendwie ein Wesen zwischen den Geschlechtern. Mich hat das dieses Buch sehr fasziniert, auch wenn mir das Milieu, in dem es spielt, eher fremd geblieben ist. Es beschreibt auf sehr einfühlsame und unterhaltsmae Weise die Gefühlslagen von Menschen, die sich ihrer Geschlechtsidentität unsicher sind und von der Gesellschaft abgelehnt, ja manchmal sogar verfolgt werden, weil sie nach ihren eigenen Vorstellungen leben wollen. Empfehlung: Unbedingt lesen!

 
 
 
Jaquelin G.: Ich habe viel geliebt. Das rastlose Leben einer transsexuellen Tänzerin.
Rotpunktverlag, Zürich 1999.
 
Diese Autobiografie ist sehr kompetent und einfühlsam von der Publizistin Verena Mühlberger auf der Basis längerer Gespräche mit Jaquelin geschrieben worden. Jaquelin wurde als Junge in Venezuela geboren. Sie hat den größten Teil ihres Lebens in Nachtclubs gearbeitet, zuerst in ihrem Heimatland, später dann in Spanien, Italien und schließlich in der Schweiz. Aufgrund ihrer Herkunft und Lebensumstände hatte sie keine andere Wahl als ein Leben als Bardame und Prostituierte, um eine Frau sein zu können. Ich habe mehrere Biografien von Transsexuellen mit einem ähnlichen Werdegang gelesen. Die meisten haben auf mich unwirklich oder aufreißerisch gewirkt. Dieses Buch von und über Jaquelin G. ist dagegen nicht nur spannend, sondern auch faszinierend und lehrreich.
 
 
 
Romy Haag: Eine Frau und mehr.
Quadriga, Berlin 1999.
 
Romy Haag ist eine der bekanntesten in Deutschland lebenden Transsexuellen. Als Show-Größe ist sie aber eher untypisch. Das Buch liest sich mehr wie eine Biografie irgendeiner Show-Diva. Die Transsexualität wird offen als Teil ihrer Biografie behandelt, stellt aber nicht das Hauptthema des Buches dar. Trotzdem habe ich es mit Interesse gelesen.
 
 
 
Jana Henschel, Denise Cline: Telefonate mit Denise. Eine Transsexuelle erzählt ihr Leben. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin o.J.

Endlich mal ein deutschsprachiges Buch zum Thema Transsexualität, das kompetent recherchiert und noch dazu gut lesbar und originell geschrieben ist, originell vor allem, weil es die Dokumentation einer Vielzahl von Telefoninterviews ist, die die Journalistin Jana Henschel mit der transsexuellen Denise Cline geführt hat.

Auf die Idee zu dem Buch kam die Ko-Autorin Jana Henschel bei der Recherche zu einem Zeitschriftenartikel zum Thema Transsexualität. Dazu interviewte sie Denise als Betroffene und merkte schnell, dass ihre Neugier auf sie und das Thema damit noch lange nicht befriedigt war. Sie telefonierte daraufhin fast täglich mit Denise und ließ sich ihre Lebensgeschichte erzählen. Denise berichtet nicht nur über ihr früheres Leben als Mann und ihr jetziges als Frau und darüber wie sie den Weg dahin zurückgelegt hat, sondern sie legt auch ihre Gefühle offen. Aber nicht nur Denise kommt zu Wort, sondern auch ihr Ehemann Joseph, der sich liebevoll um sie kümmert, ihre sie als Tochter akzeptierende Mutter, eine Schulfreundin, ihr Gutachter und die Chirurgin, die sie operierte. Dabei hatte Denise kein leichtes Leben. Schon ihre Kindheit war nicht einfach, aber auch als erwachsener Mann und später als Frau musste sie viele Probleme bewältigen und Hindernisse überwinden.

Mir hat das Buch vor allem deshalb gut gefallen, weil Jana Henschel als einfühlsame Interviewerin alle typischen Fragen stellt, die mit dem Thema nicht vertraute, aber unvoreingenommene Außenstehende interessiert. Dies sind vor allem Frauenthemen, die üblicherweise nur Frauen untereinander besprechen. Damit nimmt sie Denise als Frau an und heißt sie in der Frauenwelt willkommen. Das Buch ist hervorragend geeignet, nicht- transidentische Menschen, vor allem Frauen, die Gefühlswelt transidentischer Menschen zu vermitteln und bei ihnen für Sympathie zu werben.

 

 

Marion Holl: Seele im Spagat. Eine Reise zwischen den Geschlechtern.
Gatzanis Verlags-GmbH, Stuttgart 1997.

Marion Holl hat als Mann viele Höhen und Tiefen durchgemacht, bis sie sich dazu entschließt, ganz als Frau zu leben. Dazu gehören mehrere chaotische Beziehungen, psychische Zusammenbrüche, Enttäuschungen. Trotzdem eine interessante Autobiografie einer interessanten transsexuellen Autorin.

 

 
 
Noelle Howey: Dress Codes. Of Three Girlhoods – My Mother’s, Fathers’s, and Mine.
Picador USA, New York 2002.
 
Die Autorin ist die Tochter einer Transsexuellen, die ihr im Alter von 14 Jahren, also auf dem Höhepunkt ihrer Pubertät, eröffnete, dass sie künftig als Frau leben möchte. Beide erleben damit zeitgleich ihre Mädchenjahre. Und ihre Mutter, die sich von ihrem Vater trennt, entdeckt das Leben ebenfalls neu. In dem Buch werden die Irrungen und Wirrungen in einer Kleinfamilie, die von der Transsexualität des Vaters zunächst durcheinandergerüttelt wird und dann zerbricht, auf exzellente Art beschrieben. Die Autorin baut zu ihrem Vater erstmals eine enge persönliche Bindung auf, nachdem er eine Frau geworden ist. Sehr empfehlenswert!
 
 
 
 

Elli Hunter: Der bunte Mann. Aus dem Leben eines Transvestiten. ElliVersum Verlag, Sontheim 2009.

Elli Hunter ist ein in Transgender-Kreisen bekannter Transvestit, Visagistin und Fotografin. Sie lebt auf einem kleinen Dorf im Allgäu und betreibt dort eine Service-Agentur für transidentische Menschen, die sich für wenige Stunden oder Tage professionelle Hilfe leisten wollen, um sich in eine Frau zu verwandeln. Bekannt ist sie für ihre Foto-Shootings, die viele ihrer Kundinnen auf ihren Homepages und persönlichen Darstellungen im Internet präsentieren. Elli betreibt die Agentur gemeinsam mit ihrer Ex-Frau und lebt mit einer neuen Partnerin zusammen.

„Der bunte Mann“ ist die einzige deutschsprachige Autobiografie eines TV aus letzter Zeit. Elli Hunter beschreibt, wie sie als kleiner Thomas und später als Zeitsoldat immer wieder dem Verlangen nachgibt, sich in eine Frau zu verwandeln, vor allem an Karneval. Lange gelingt es ihr aber, vor ihrer Frau Renate und ihren Freunden zu verheimlichen, dass das kein reiner Verkleidungsspaß ist. Ihr Outing gegenüber ihrer Frau kommt spät und geschieht auch nicht ganz reibungslos. Es markiert den Beginn eines längeren Trennungsprozesses, der Elli aber zugleich eine neue berufliche Perspektive eröffnet, die ihr Bedürfnis nach zeitweiligem Frau-Sein mit geschäftlichen Interessen verbindet. Es ist nämlich Renate, die sie zur Gründung ihrer Agentur „Frau-Sein“ motiviert. Auch nach ihrer Trennung sind Elli und Renate geschäftlich miteinander verbunden und befreundet, Renate lebt mit einer neuen Partnerin zusammen.

Elli beschreibt in ihrer Autobiografie nicht nur das langsame Outing und den Aufbau einer beruflichen Existenz, sondern auch die vielfältigen Erfahrungen mit transidentischen Freundinnen und Kundinnen. Es gibt nur wenige Menschen, die in ihrem Leben so viele und so unterschiedliche TV und TS kennen gelernt haben wie Elli Hunter. Dabei gibt sie in ihrem Buch auch wertvolle Ratschläge zur Bewältigung des Lebens und des Alltags durch Transidenten, zum Auftreten in der Öffentlichkeit und zum Passing. Das Buch ist sehr unterhaltsam geschrieben uns liest sich gut. Die Inhalte sind auch fachlich weitgehend überzeugend dargestellt. Das Buch eignet sich sehr gut, um auch bei Nicht-Betroffenen ein positives und vor allem unverkrampftes Bild von Transidentität zu erzeugen.

Ich würde aber in einem Punkt Widerspruch gegen inhaltliche Aussagen und Bewertungen vorbringen. Diese betreffen das Frauenbild, das Elli selbst verkörpert, das sie der Arbeit in ihrer Agentur zugrund legt und das auch in verschiedenen Stellen ihres Buches durchscheint. Die ideale Frau ist bei Elli Hunter äußerst feminin, sehr sinnlich, fast vamp-artig, allerdings nicht nuttig. Sie propagiert damit ein sehr konventionelles Frauenbild. Frauen sollen vor allem schön sein und sich und ihren Männern gefallen. Gestört hat mich an einer Stelle des Buches vor allem eine abschätzige Bemerkung über die Mutter eines Kleinkindes, die ihr sehr ungepflegt erschien. Dabei weiß jede Mutter und jeder Vater, dass Kleinkinder ihren Müttern oft keine Chance lassen, sich auch noch aufzustylen. Zugleich gehört die Betreuung von Kleinkindern zu den prägendsten Aktivitäten im Leben vieler Frauen. Aber viele TV und TS, vor allem diejenigen ohne Kinder, werden solche Bemerkungen nicht stören, vielleicht gar nicht erst auffallen.

 
 
 
 
Jin Xing: Shanghai Tango. Mein Leben als Soldat und Tänzerin. Blanvalet Verlag, München 2006.

„ShanghaiTango“ ist die faszinierende Autobiografie der weltberühmten chinesischen Tänzerin Jin Xing, die als Junge geboren wurde. Schon als Kind fühlte sie sich als ein im Körper eines Jungen verborgenes Mädchen, das sich vor allem für das Tanzen interessierte. Lange bevor sie überhaupt eine Vorstellung von Transsexualität hatte und von der Möglichkeit zur medizinischen Geschlechtsangleichung erfuhr, bot ihr paradoxerweise die chinesische Armee die Möglichkeit zum Ausbruch aus ihrem seelischen Gefängnis. Sie wird in ein Armeeballett aufgenommen und lernt dort neben der üblichen militärischen Ausbildung auch chinesischen Tanz. Schnell wird sie berühmt und erhält die Möglichkeit zu Auftritten und Ausbildungsaufenthalten im Ausland. Sie lebt längere Zeit in den USA, geht verschiedene sexuelle Beziehungen mit Männern ein, erkennt darin aber, dass sie nicht schwul ist, sondern ganz als Frau leben möchte. Zurück in China ist sie eine der ersten transsexuellen Frauen, die sich dort einer geschlechtsangleichenden Operationen unterzieht. Aufgrund der Unerfahrenheit der Ärzte treten Komplikationen ein. Erst nach einem mehrere Monate währenden Heilungsprozess kann sie wieder mit dem Tanzen beginnen und als Choreografin arbeiten. Trotz grandioser Erfolge gerät sie zunehmend in Konflikte mit Kollegen und Ensembles. Obwohl Transsexualität in China kein öffentliches Thema ist und weitgehend verdrängt wird, wird sie von den meisten Freunden und Verwandten als Frau akzeptiert. Auf Staats- und Parteifunktionäre übt sie eine besondere Faszination aus. Heute lebt Jin Xing als Ehefrau eines deutschen Geschäftsmanns und (Adoptiv-)Mutter von drei Kindern in Shanghai und hat darin die Erfüllung ihres Lebens gefunden

Das Buch ist spannend zu lesen, weil es den Umgang mit Transidentität in einer nicht westlich geprägten Kultur beschreibt. Obwohl mit medizinische Eingriffe zur Geschlechtsanpassung dort weniger bekannt sind, kann man fast zu der Schlussfolgerung gelangen, dass die chinesische Gesellschaft unbefangener hiermit umgeht. Bedauerlich ist nur, dass die Hauptperson trotz ihres riesigen Erfolgs als Tänzerin und Künstlerin am Ende in eine ganz normale Hausfrauenrolle flüchtet.

 

 

 

Aphrodite Jones: Boys Don't Cry. Die wahre Geschichte der Teena Brandon.
Ullstein Taschenbuchverlag, München 2000.

 

Dieses inzwischen auch verfilmte Buch handelt von der wahren Geschichte der Teena Brandon, die eine männliche Identität hat und ihr Leben als Brandon Teena leben will. Brandon schließt sich einer Clique von Jungs an und lungert mit ihnen herum. Als diese herausfinden, dass Brandon eine biologische Frau ist, wollen sie sich an ihm rächen. Am Ende wird Brandon bestialisch umgebracht.

 

 

 

Charlotte von Mahlsdorf: Ich bin meine eigene Frau.
Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1995.
 
Dies ist die Autobiografie von Deutschlands vielleicht bekanntestem Transvestiten. Charlotte von Mahlsdorf wurde in den zwanziger Jahren geboren und starb vor einem Jahr. Sie verstand sich als Frau im Körper eines Mannes, lebte als Frau und liebte Männer, wollte aber nie mit medizinischen Mitteln eine Geschlechtsangleichung vornehmen. Sie ist die große alte Dame der Schwulen, Lesben und Transvestiten in der DDR. In dem Berliner Vorort Mahlsdorf baute sie ein Gründerzeitmuseum auf, in dem sie die von ihr über viele Jahrzehnte gesammelten Möbel und Kunstgegenstände aus dieser Epoche ausstellte. Die Autobiografie schildert ihr faszinierendes Leben im Dritten Reich und später in der DDR. Sie ist der vielleicht einzige Transvestit, der das Bundesverdienstkreuz erhielt, aber leider nicht für ihren Einsatz für Schwule, Lesben und Transvestiten. Das Buch ist einfach ein "Muss" für alle Transgender.
 
 
 
Annah Moore: Right Side Out. In-tune Within, To Be In Harmony With The World. iUniverse, New York, Lincoln, Shanghai 2006.
 

Dies ist eine von vielen TS-Autobiografien, die ich gelesen habe. Jede von ihnen, so auch diese von Annah Moore, hat ihr Besonderes, aber letztlich gleichen sie sich doch sehr.

 
Diese Autobiografie ist sicher nicht schlechter als diejenige anderer TS, die ich gelesen habe. Sie ist gut geschrieben und wird immer wieder lyrischen Einlagen aufgelockert. Annah wirkt auf mich durchaus sympathisch. Vielleicht habe ich aber inzwischen zu viele TS-Autobiografien, so dass ich einfach nur kritischer geworden bin. Daher gelange ich zu dem Schluss, dass man sie nicht gelesen haben muss, wenn man schon andere kennt, gleichwohl aber für jemanden interessant sein kann, der sich erstmals mit dem Thema befasst.
 

Annah Moore’s Leben dreht sich vor allem um zwei Dinge: Musik und TS. Musik gibt ihr Halt und Stärke, TS ist ihr Lebensthema. Wie bei so vielen TS steuert das Leben und das Buch auf die OP ab. Mit ihr kommt die Erlösung, die Erfüllung, der Start in das eigentliche Leben. Mit der OP endet aber auch das Buch. Die Autorin lebt in dem Gedanken, dass ihr wahres Leben erst jetzt beginnt, man fragt sich aber, ob sie dabei nicht Illusionen erliegt.

 

 

Deirdre N. McCloskey: Crossing. A Memoir.
The University of Chicago Press, Chicago 1999.
 
Deirdre McCloskey ist Professorin für Wirtschaftswissenschaften. Sie lebte bis zum Alter von Anfang 50 als Mann und hielt sich für einen Cross-Dresser. Als ihr Sohn von zu Hause auszog, entschloss sie sich zunächst, ihre Neigung intensiver auszuleben, stellte dann aber fest, dass sie transsexuell ist. Die Autobiografie schildert den Weg von Don zu Deirdre McCloskey, die Trennung von der Familie, den Wechsel im Beruf, die Reaktionen der überwiegend konservativen Fachkollegen und den Aufbau eines neuen Freundeskreises. Das Buch zeigt, dass es möglich ist, auch in einer herausgehobenen beruflichen Position den Weg vom Mann zur Frau zu gehen. Aber auch der Autorin blieben die hiermit verbundenen Probleme nicht erspart. Mich fesselte das Buch. Es ist eine der spannendsten Transgender-Autobiografien, die ich gelesen habe, auch wenn sie mir an einigen Stellen zu sentimental wird.

 

 
 
Jan Morris: Conundrum.
Faber and Faber, London 1974.
 
Jan Morris ist die erste Transsexuelle, von der ich je erfuhr. Im Jahr 1974 las ich im „Spiegel“ einen Bericht über einen englischen Reiseschriftsteller, der eine Geschlechtsumwandlung zur Frau hatte vornehmen lassen. „Conundrum“ gilt als Klassiker unter den Autobiografien von Transsexuellen. Eigentlich ist das Buch vergriffen. Ich entdeckte es aber vor kurzem zufällig im Antiquariat eines Buchladens in Dublin. Man merkt der Autorin an, dass sie eine professionelle Publizistin ist. Jan Morris hat viel mehr zu erzählen als nur ihre Wandlung vom Mann zur Frau. Ihre Transsexualität ist eingebettet in ein erlebnisreiches erfülltes Leben.
 
 
 
Richard J. Novic: Alice in Genderland.
iUniverse, New York, Lincoln, Shanghai 2004.
 
Es gibt zwar viele Autobiografien von Transsexuellen, aber nur wenige von Crosdressern. "Alice in Genderland" ist eine solche Ausnahme. Der Arzt und Psychotherapeut Dick beschreibt, wie er nach und nach sein Bedürfnis, hin und wieder in eine weibliche Rolle zu schlüpfen, entdeckt und auslebt. Obwohl er schon als Kind spürt, dass da etwas Unerklärliches in ihm steckt, ignoriert und verdrängt er lange Zeit seine Gefühle. Nach einer gescheiterten Ehe, mehreren Umzügen und vielen Irrwegen erkennt er, dass er weder schwul noch transsexuell ist, sondern nur hin und wieder "Alice" ausleben möchte. Zunächst nur ein bis zweimal im Monat, dann immer öfter verwandelt Dick sich in Alice und geht auf Abenteuersuche. Für Alice ist sehr wichtig, dass sie auch sexuell als Frau begehrt wird. Erst dann fühlt sie sich ganz als Frau akzeptiert. Mit Wissen ihrer Ehefrau geht sie sexuelle Beziehungen zu Männern ein und lebt ein Leben im Wechsel als Mann und Frau.
 
Interessant an diesem wirklich intelligent und anspruchsvoll geschriebenen Buch ist die Auseinandersetzung von Dick/Alice mit ihrer Sexualität und die nicht immer einfache, aber doch erfolgreiche gemeinsame Suche mit ihrer (zweiten) Ehefrau nach einem Weg, der Alice hinreichende Möglichkeiten zur Entfaltung und zum Ausleben lässt, ohne die Ehe zu zerstören.
 
 
 
Wendy Jones: Grayson Perry. Portrait of an Artist as a Young Girl.
Chatto & Windus. London 2006.
 
Grayson Perry ist ein britischer Künstler, der für seine Ton- und Vasenmalereien berühmt geworden ist und im Jahr 2003 von Queen Elizabeth mit dem begehrten Turner-Prize ausgezeichnet wurde. Er bekennt sich offen als Transvestit und liebt es vor allem, sich in ein kleines Mädchen zu verwandeln. Die feierliche Preisverleihung erregte Aufsehen, weil er den Preis in einem Kleid aus der Hand der Queen entgegen nahm. Das von der Publizistin Wendy Jones in autobiografischer Form geschriebene Buch konzentriert sich auf Kindheit und Jugendzeit, in der er kaum eine Ausschweifung der 70er und 80er Jahre ausließ. Es stellt einen exzentrischen Menschen vor, der in seiner Kunst seine innersten Gefühle zum Ausdruck bringt. Bei Ton- und Vasenmalerei denkt man vielleicht an eher biedere Kunst. Das ist bei dem Joseph-Beuys-Fan Grayson Perry aber ganz und gar nicht der Fall. Denn in vielen Werken verarbeitet er seine Sexualität und seine Neigung als Transvestit.
 
Ich fand das Buch sehr amüsant. Es zeichnet einen authentischen Menschen mit vielen Brüchen in seiner Biografie und in seiner Lebensphilosophie, die bekanntermaßen nicht untypisch für Transgender sind.
 
 
 
Irene Preiss: Fixed for Life. The True Saga of How Tom Became Sally.
iUniverse, Lincoln 1999.
 
Diese Autobiografie einer amerikanischen Transsexuellen ist sehr bemerkenswert. Sally wurde in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts als Tom geboren und hat Jahre und Jahrzehnte als Mann ein mehr oder weniger unauffälliges Leben mit ihrer Familie gelebt. Erst in der siebziger Jahren gibt sie ihrem schon länger vorhandenen, aber lange Zeit unterdrückten Drang nach, ihre weibliche Identität auszuleben. Sie trennt sich von ihrer Familie und führt ein unstetes Leben mit häufigen Jobwechseln. Mal übt sie ihren Job als Tom aus und ist in ihrer Freizeit Sally, mal ist sie im Job Sally und privat Tom, und zwar immer dann, wenn sie mit ihrer neuen Partnerin zusammenlebt, die zwar von ihrer Transidentität weiß und sie akzeptiert, aber nur mit Tom und nicht mit Sally zusammen sein will. Erst im Alter von über 60 Jahren entschließt sich Sally, ganz Frau zu werden.
 
Dieses Buch hat mich sehr angerührt, weil Sally der Generation meiner Eltern angehört. Für sie gab es noch nicht die heutigen Möglichkeiten einer Geschlechtsanpassung. Der Leidensdruck war viel höher. Dass sie überhaupt den Schritt zur Frau gehen konnte, hängt auch mit der liberalen Atmosphäre in dem Bundesstaat Kalifornien zusammen, in dem sie lebt. Es hat mir deutlich gemacht, wie sehr die Beschäftigung mit der Transidentität und das Auf und Ab der Gefühle alle anderen wichtigen Dinge des Lebens wie die Partnerschaft und den Beruf bestimmen. Auch wenn Sally zur Generation meiner Eltern gehört, so habe ich mich doch mit vielen Gedanken von ihr identifizieren können. Ich fand diese Autobiografie eine der spannendsten und niveauvollsten, die ich je von einer Transsexuellen gelesen habe. Sehr empfehlenswert!
 
 
 

Veronique Renard: Pholomolo – No Man No Woman. iUniverse Inc., NewYork, Lincoln, Shanghai 2007.

Veronique Renard ist eine niederländische TS, die schon Mitte der 1980er Jahre im Alter von knapp 20 Jahren ihre Transition einschließlich OP durchführte. Sie stammt aus einer wohlhabenden Unternehmerfamilie und macht nach ihrer Transition als Frau eine steile, allerdings sprunghafte Karriere im Management verschiedener Unternehmen, entschließt sich dann aber, ihr westliches Leben ganz aufzugeben und nach Indien umzusiedeln, genauer: nach Dharamsala, wo der Dalai Lama und viele andere Tibeter ihr Exil verbringen und wo sie auch in Kontakt mit ihm trat. Später siedelt sie nach Thailand um, wo sie bis heute lebt.

Schon über ihre Erlebnisse in Indien und mit dem Dalai Lama hatte sie ein Buch („Pantau in India“) mit vielen autobiografischen Elementen geschrieben, in dem sie aber ihre Transidentität mit keinem Wort erwähnte. Dies holt sie mit „Pholomolo“ jetzt nach.

Dieses Buch ist eine ungewöhnlich offene, intime und sehr persönlich gehaltene Autobiografie. Veronique Renard verschweigt fast nichts, auch wenn sie zahlreiche Orte und Personen aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes verfremdet. Bereits in der Pubertät interessierte sie sich sexuell ausschließlich für Männer. Nachdem sie sich zunächst für schwul hält, entdeckt sie aber recht schnell, dass sie eigentlich auf heterosexuelle Männer steht und diese nicht als Mann, sondern als Frau begehrt. Mit Unterstützung der renommierten Gender-Klinik in Amsterdam vollzieht sie noch in jugendlichem Alter ihre Transition und beginnt ein Leben als Frau. Wegen der frühzeitigen Transition und wegen ihres sehr kleinen und zarten Körperbaus hat sie ein hervorragendes Passing. Kaum jemandem fällt auf, dass sie als Mann geboren wurde.

Dies verleitet sie dazu, „deep stealth“ leben zu wollen, also neuen Bekanntschaften ihre Geschichte vorzuenthalten, und das, obwohl sie in derselben Vorortgemeinde von Utrecht lebt, in der sie aufgewachsen und zur Schule gegangen ist und wo sie viele noch als Mann kennen gelernt haben. Sie geht einige feste Beziehungen zu Männern ein, die auch erst nach und nach von ihrer Transidentität erfahren. Diese gelingen überraschend gut und enden in den meisten Fällen nicht wegen der Transidentität. Komplizierter gestaltet sich aber ihr Berufsleben. Zwar findet sie gut bezahlte und interessante Jobs im Management und Marketing renommierter Unternehmen, aber es wiederholt sich regelmäßig die gleiche Geschichte. Sie offenbart ihre Transidentität nicht, aber nach einigen Monaten wird diese durch Gerüchte bekannt. Darauf angesprochen, leugnet sie diese und verliert ihren Job, meist gegen hohe Abfindungen, aber nicht wegen ihrer Transsexualität, sondern offenbar – das kann man nur aus dem Zusammenhang schließen – wegen ihrer Unehrlichkeit. Veronique Renard wird überall als Frau akzeptiert, aber sie scheitert an ihrer Versessenheit, ihre besondere Geschichte abzustreiten. Ein wirklich bewegendes und lehrreiches Buch.

Die Autorin ist mir aber trotz ihrer ungewöhnlichen Offenheit fremd geblieben.

 

 

 

Renée Richards (with John Ames): No Way Renée. The Second Half of My Notorious Life.
Simon & Schuster, New York 2007.
 
Renée Richards ist eine inzwischen über 70 Jahre alte transsexuelle Frau, die vor rund 30 Jahren Schlagzeilen machte, weil sie als erste Transsexuelle an einem Tennis-Turnier für Frauen teilnahm. Gegen heftigen Widerstand einiger Konkurrentinnen erstritt sie sich das Recht auf ihre Teilnahme. Nach Ende ihrer eher mittelmäßigen Karriere coachte sie die Weltklassespielerin Martina Navratilova. Anschließend kehrte sie wieder in ihren erlernten Beruf als Augenärztin zurück.
 
Schon kurz nach ihrer Transition veröffentlichte sie eine der ersten TS-Autobiografien überhaupt: „Second Serve. The Renée Richards Story“. Jetzt hat sie eine neue Autobiografie herausgegeben, in der sie vor allem ihre zweite Lebenshälfte als Frau beschreibt und Bilanz über ihren Lebensweg zieht. Sie geht dabei unter anderem auf ihr Verhältnis zu ihrem Sohn, auf ihre berufliche Tätigkeit als Augenärztin in New York, auf ihr Leben in einem Landhaus fernab von New York, auf ihre Beziehungen zu Freundinnen und Freunden und auf ihr Sexualleben ein. Vor allem im Schlussteil des Buches fragt sie sich aber auch sehr ernsthaft, ob sie mit ihrer Entscheidung, in der Mitte ihres Lebens aus einer Männer- in eine Frauenrolle zu wechseln, richtig lag. Diese Seiten nutzt sie auch, um einen Pressebericht zu dementieren, wonach sie ihren Geschlechtswechsel bedauert habe. Sie behauptet, falsch zitiert worden zu sein. Auch heute hält sie ihre damalige Entscheidung für richtig und alternativlos. Bedauern äußert sie aber darüber, dass ihr eine transsexuelle Veranlagung mitgegeben wurde und dass es für sie keine alternative Antwort darauf gegeben habe. Sie bedauert die Verletzungen, die sie ihrer Ehefrau, ihrem Sohn und anderen durch ihre damalige Entscheidung zugefügt hat, und sie erkennt, dass ihre Transsexualität ihr viel Energie abgefordert hat, die ihr bei anderen wichtigen Dingen, vor allem im Beruf, fehlte.
 
Ich habe das Buch von Renée Richards mit großem Gewinn gelesen, auch wenn ich ihre Gedankengänge nicht immer nachvollziehen konnte. Zwar distanziert sie sich nicht von ihrer damaligen Entscheidung, aber man hat doch das Gefühl, dass Renée Richards von vielen Zweifeln getrieben und nicht ganz im Reinen mit sich selbst ist. Was ich am meisten in ihrer Autobiografie vermisst habe, war Spaß daran, Frau zu sein. Sie sieht Transsexualität vorwiegend als Schicksal, mit dem sie fertig werden musste. Möglicherweise ist ihr Verhalten aber auch gar nicht so abwegig, weil wir transidentische Menschen wohl unser ganzes Leben lang zweifeln werden, ob wir die richtige Entscheidung getroffen haben, gleich wie sie ausgesehen hat.
 
 
 
 
Donna Rose: Wrapped in Blue. A Journal of Discovery.
Living Legacy Press, Round Rock 2003.
 
 
Donna Rose beschreibt in diesem Buch ihren transsexuellen Lebensweg. Sie lebt mit Ehefrau und Sohn zunächst im Osten der USA, dann in Arizona. Lange Zeit hielt sie sich für einen Cross-Dresser, bis ihr irgendwann klar wurde, dass sie nur als Frau leben kann. Das Buch beschreibt ihren Weg bis nach überstandener geschlechtsangleichender Operation. Original-Tagebuchauszüge bereichern es sehr. Am bewegendsten ist die Auseinandersetzung mit ihrer Frau, die die Transsexualität von Donna nicht versteht und nie akzeptiert. Ein sehr emotionales und intelligentes Buch!
 
 
 
Nikita Noemi Rothenbächer: Transidentität. Von wo nach wohin?
Agenda Verlag, Münster 2004.
 
Um es vorweg zu sagen: Das Buch von Nikita Noemi Rothenbächer ist eindeutig eine der besseren deutschsprachigen Autobiografien von Transsexuellen, von denen leider nur sehr wenige wirklich gut und lesenswert sind. Das Buch besteht aber aus zwei Teilen: neben der Autobiografie der Autorin enthält es auch eine ausführliche fachliche Abhandlung medizinischer und rechtlicher Fragen zur Transsexualität. Die Autorin hat wie viele andere Transsexuelle einen schillernden Lebenslauf: schwierige Familienverhältnisse, Kinderheim, Aufenthalt in verschiedenen südeuropäischen Ländern, zerbrochene Partnerschaften, Auseinandersetzungen mit Krankenkassen und Arbeitgebern. Trotz zahlreicher Enttäuschungen und schmerzhafter Erfahrungen findet die Autorin aber nach ihrer geschlechtsangleichenden OP neue Zuversicht für das Leben und Halt in einer Partnerschaft. Auch der zweite Teil des Buches ist gut recherchiert und lesenswert für alle, die sich intensiver mit den medizinischen und rechtlichen Fragen der Transsexualität auseinandersetzen. Ich teile aber nicht alle Aussagen, die darin getroffen werden.
 
 
 
Jennifer Spry: Orlando’s Sleep.
New Victoria Publishers, Norwich 1997.
 
Dieses Buch ist auf den ersten Blick nur eine weitere Autobiografie einer Transsexuellen, die ihren Lebensweg vom Mann zur Frau beschreibt und die man schon oft gelesen zu haben glaubt. Beim Lesen spürt man aber, dass es keine durchschnittliche Autobiografie ist, sondern dass diese durchaus gut und intelligent geschrieben und deshalb auch lesenswert ist.
 
Die Autorin lebte phasenweise abwechselnd in den USA und in Australien, und die Wanderungen über die Kontinente wirken auf die Leserin wie ein Symbol für die Wanderung zwischen den Geschlechtern. Denn sie markieren Lebensabschnitte, die so zu Ende gehen wie das Leben als Mann und die so zu neuen Ufern führen wie das Leben als Frau. Teil dieses Lebens war die intensive Partnerschaft mit einer Ehefrau und die Verantwortung für einen Sohn. Das Buch ist emotional anrührend und macht nachdenklich.
 
 
 
Bruno Stephan: German Girl Bruno. Als Transsexueller unter dem Hakenkreuz.
BellaVista, Hamburg 2004.
 
Bruno, der gerne Kleider trägt und lieber eine Frau wäre, lebt in der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert. Während der Nazi- und Weltkriegszeit bedeutet es schon ein besonderes Abenteuer, seine transsexuellen Neigungen auszuleben. Die heutigen Möglichkeiten einer hormonellen und chirurgischen Geschlechtsanpassung waren damals nicht nur unbekannt, nein, sie hätten auch dem Männlichkeitswahn der Nazis vollauf widersprochen. Ein offenes Leben als Frau wäre lebensgefährlich gewesen. Bruno flieht daher vor dieser Welt, wird Seefahrer und vergnügt sich in den Bars der Hafenstädte dieser Welt. Dort trifft er sich in Frauenleidern mit männlichen Liebhabern. Im zweiten Weltkrieg wird er dann als Soldat eingezogen.
 
Die Autobiografie besticht einerseits, weil sie auf beeindruckende Weie die heute nur noch schwer vorstellbare esistenzielle Konfliktlage herausarbeitet, der Transsexuelle vor wenigen Jahrzehnten noch ausgesetzt waren. Andererseits zeigt das Buch aber keine Erkenntnisse oder Perspektiven auf, die aus heutiger Sicht zu einem besseren Verständnis der Transsexualität beitragen können. Bruno ist mir sehr fremd geblieben. Die Autobiografie hat in erster Linie eine historische Bedeutung.
 
 
 
Leslie Townsend: Hidden in Plain Sight.
iUniverse, Lincoln 2002.
 
Diese Autobiografie handelt von einer amerikanischen Transsexuellen, die schon mit Anfang 20 als Frau zu leben begann. Sie gehört zu den Transsexuellen, die sich nicht nur ihre Operation, sondern auch ihren Lebensunterhalt als Prostituierte verdienen mussten, anfangs noch als Stricher im Homosexuellen-Milieu. In besseren Tagen fand sie auch Jobs als Model. Später flüchtet sie dann - typisch Frau - in die Ehe mit einem Mann, der sich als Alkoholiker entpuppt. Das Buch ist aus zwei Gründen interessant: Es beschreibt eindrucksvoll die Leiden, die viele Transsexuelle auf sich nehmen, um ein normales Leben als Frau führen zu können. Und es thematisiert die Frage, ob sich Transsexuelle mit ihrem männlichem Lebenslauf nach ihrer Operation in ihrem neuem Umfeld outen sollen. Es gibt sicher Bücher, die besser geschrieben sind. Aber die Lektüre lohnt sich trotzdem.
 
 
 
Holde-Barbara Ulrich, Thomas Karsten: Messer im Traum. Transsexuelle in Deutschland.
Konkursbuch Verlag Claudia Gehrke 1994.
 
Dieses Buch porträtiert 13 Transsexuelle mit sehr unterschiedlichen Schicksalen und Lebensläufen. Es ist sehr einfühlsam geschrieben und liest sich gut.
 
 
 
Erica Zander: Transactions.
Periskop Förlag, Stockhom 2003.
 
Dies ist die vielleicht interessanteste Autobiografie einer Transsexuellen, die ich je gelesen habe. Sie spielt in Schweden und ist in englisch geschrieben. Das Buch ist jedoch weit mehr als eine Autobiografie. Es setzt sich intensiv mit fast allen Fragen der Transsexualität auseinander. Autobiografische Erlebnisse und Sachdarstellungen werden geschickt miteinander verknüpft. Nicht nur das Buch ist gut, sondern die Autorin hat ihre Transition vom Mann zur Frau auch mit unglaublich viel Unterstützung und mit großem Erfolg bewältigt. Ihre Ehefrau steht zu ihr und führt die Partnerschaft auch nach der Operation weiter. Sie hat einen verantwortungsvollen Beruf, in dem sie auch als Frau weiterarbeiten kann. Dieses Buch macht Transsexuellen wirklich Mut, den großen Schritt zu wagen.
 
 

 


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