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Biografie
Die Biografien von Transvestiten und Transsexuellen ähneln sich auffallend oft. Auch meine Biografie unterscheidet sich nicht sehr von derjenigen der meisten anderen Transgender. Wir haben alle irgendwie die gleiche Geschichte hinter uns. Aber meistens gibt es doch bei der einen oder anderen etwas Neues zu lesen, das zum Nachdenken anregt. Vielleicht ist das auch bei meiner Biografie der Fall.
Kindheit
Ich wurde vor ca. 50 Jahren in einem kleinen Dorf am westlichen Rand Deutschlands als ältestes von vier Kindern geboren. So weit meine Erinnerung zurückreicht, wollte ich lieber ein Mädchen sein. In meinen Träumen hatte ich lange Haare, durfte Röcke tragen und mit den anderen Mädchen spielen. Diese Träume waren einerseits sehr schön, andererseits aber auch äußerst verwirrend und irreal. Denn ich war doch ein Junge, und wo gab es sonst noch einen Jungen, der lieber Mädchen sein wollte. Ich fand niemanden, mit dem ich über meine Fantasien sprechen konnte.
Wie fast alle Transgender suchte ich heimlich nach Möglichkeiten, die Seidenstrümpfe, Röcke und Schuhe mit hohen Absätzen meiner Mutter anzuprobieren. Leider gab es dazu nicht viele Gelegenheiten, denn bei vier Kindern war ich fast nie allein zu Hause. Ich hatte noch eine Schwester, die aber ein paar Jahre jünger war, so dass mir ihre Kleider nicht passten. Ich wurde nie erwischt, und ich bin mir ziemlich sicher, dass niemand etwas von meiner Andersartigkeit mit bekam. So beschränkte ich mich darauf, mir eine Fantasiewelt aufzubauen. Oft schloss ich mich mit Versandhauskatalogen in mein Zimmer ein und malte mir aus, wie ich in den schönen Kleidern und Schuhen aussehen würde, die darin abgebildet waren.
Ich erinnere mich nur an ein Ereignis, bei dem ich ein Kleid tragen durfte oder musste, je nach dem, wie man dies darstellt. Ich war noch sehr klein, vielleicht fünf oder sechs Jahre alt. Zum ersten Mal durfte ich mit den Kindern aus der Nachbarschaft Karneval feiern. Meine Mutter hatte mich dazu als Mädchen verkleidet, mit Kleidern meiner etwas älteren Cousine. Ich hatte ein total zwiespältiges Gefühl. Einerseits war ich vollkommen glücklich. Andererseits schämte ich mich, denn die anderen Jungen lachten mich aus. Meine Mutter hatte sich dabei mit Sicherheit nichts gedacht, und ich wollte auch nicht zeigen, wie sehr mir dies gefiel. Ich war einfach viel zu jung, um mit dieser Situation umzugehen. Aber als Schlüsselereignis bleibt dies für immer in meinem Gedächtnis hängen.
Unter den gleichaltrigen Kindern in meiner Nachbarschaft und in der Schule war ich eher ein Außenseiter. Ich spielte bis zu einem gewissen Punkt die Spiele meiner überwiegend männlichen Freunde mit. Ihnen war aber wie mir selbst klar, dass ich etwas anders war als sie. Nur den wahren Grund, nämlich, dass ich lieber ein Mädchen sein wollte, ahnten sie nicht.
Mein Vater besaß ein kleines Handwerksunternehmen, das er in der dritten Generation führte. Eigentlich war ich als ältester Sohn dazu bestimmt, diesen Betrieb später einmal zu übernehmen. Schon als Kind machte ich aber einen großen Bogen um ihn. Ich entwickelte keinerlei handwerkliches Geschick. Noch heute interessiert mich Technik sehr wenig. Ich lasse mir lieber helfen, wenn ein Loch in die Wand gebohrt oder ein Brett durchgesägt werden muss. So war ich froh, dass mein jüngerer Bruder, der später den Betrieb von meinem Vater übernahm, mehr handwerkliche Neigungen zeigte und den Erwartungsdruck von mir nahm.
Statt dessen flüchtete ich mich in meine Schularbeiten. Das bot Ablenkung und stellte eine gute Ausrede dar, um meinen Fantasien nachzugehen. So wurde ich denn auch ein guter Schüler. Für mich war immer klar, dass ich die enge dörfliche Welt meiner Kindheit verlassen und etwas ganz anderes machen wollte als die meisten Menschen, die ich von zu Hause aus kannte. Darauf richteten sich meine ganzen Hoffnungen und Wünsche. Der Besuch des Gymnasiums war für mich das Mittel, um diese Wünsche wahr werden zu lassen.
Ich war als Kind zwar sehr schüchtern und introvertiert. Aber ich glaube nicht, dass ich sehr feminin wirkte. Das lag einmal an meiner Körpergröße (ich war immer - auch im Vergleich zu den Jungen meines Alters - überdurchschnittlich groß). Zum anderen nutzte ich die Privilegien, die den Jungen damals in der engen dörflichen Umgebung eingeräumt wurden. Ich glaube nicht, dass ich als Mädchen die gleichen Bildungschancen erhalten hätte. Außerdem entwickelte ich mich zu einem sehr starken "Kopf-Menschen". Ich analysierte die Welt, lebte aber nicht wirklich in ihr.
Als Kind hatte ich - darin unterscheide ich mich vielleicht von vielen anderen Transgendern - wenig Kontakt zu Mädchen. Die gleichaltrigen Kinder in meiner Nachbarschaft waren überwiegend Jungen. Außerdem war das Gymnasium, das ich besuchte, eine reine Jungenschule. Daher entwickelte ich in meiner Schulzeit zu Mädchen kein natürliches Verhältnis. Ich bewunderte und beneidete sie, aber ich war nie unbefangen im Umgang mit ihnen.
Es lag für mich außerhalb jeder Vorstellung, dass ich wirklich ein Mädchen oder eine Frau werden konnte. Das war in meiner Kindheit und auch später in meiner Jugendzeit ein so fremder Gedanke, dass ich dies nie ernsthaft als Möglichkeit gesehen habe. Dass Menschen ihr Geschlecht wechseln können, erfuhr ich zum ersten Mal, als ich mit etwa 14 Jahren im "Spiegel" von der englischen Transsexuellen Jan Morris las. Ja, ich begann in diesem Alter wirklich, regelmäßig den "Spiegel" zu lesen. Das war auch ein Ausdruck meines Andersseins. Jan Morris ist eine bekannte englische Reiseschriftstellerin, die mit ihrem Beispiel sehr zur Akzeptanz der Transsexualität beigetragen hat und deren Autobiografie mit dem Titel "Conundrum" ich nur empfehlen kann.
Ich wusste sofort, dass ich genau so fühlte wie Jan Morris. Aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass ich ihren Weg ebenfalls gehen würde. Dafür war sie als Person und der Bericht im "Spiegel" doch zu exotisch. Nur wusste ich von da an, dass es auch andere Menschen auf dieser Welt gab, die wie ich fühlten.
Jugendzeit und Studium
Irgendwann setzte auch bei mir die Pubertät mit all ihren körperlichen und seelischen Begleiterscheinungen ein. Wie andere Transgender bedauerte ich es, dass ich zu einem Mann und nicht zu einer Frau heranwuchs. Trotzdem litt ich zunächst nur wenig darunter, dass der Stimmbruch einsetzte und die ersten Barthaare wuchsen. Da ich ein kopfgesteuerter Mensch war, war dies für mich der natürliche Weg der Dinge. Nach außen versuchte ich immer, meine weibliche Seite zu verbergen. Ich trug ein Geheimnis in mir, von dem niemand erfahren durfte. Meiner gespaltenen Identität war ich mir voll bewusst. Ich lebte in der Gewissheit, dass ich mein ganzes Leben Mann sein würde und, um dieses Leben nicht unnötig zu verkomplizieren und zu belasten, mein kleines Geheimnis immer für mich behalten musste.
Meine Lebensplanung lief darauf hinaus, Abitur zu machen, zu studieren und anschließend einen Beruf zu ergreifen, in dem ich mit meinen intellektuellen Fähigkeiten etwas bewegen kann. Dies war vielleicht auch eine Flucht vor meiner weiblichen Seite, aber diese Perspektive bot mir die größte Zufriedenheit.
Doch selbst der psychisch stabilste Mensch steckt eine derartige Identitätsspaltung nicht so ohne weiteres weg. Ziemlich regelmäßig im Abstand von vier bis acht Wochen kam der Drang, mich als Mädchen zu fühlen und, wenn es irgendwie möglich war, heimlich Kleider meiner Mutter und später meiner Schwester anzuziehen. Ich lebte ein paar Tage lang wie im Rausch, bekam dann Schuldkomplexe, zog alles wieder schnell aus und beschloss, ein normaler Junge und später Mann zu sein. Bis sich nach ein paar Wochen dann meine weibliche Seite wieder meldete und alles wieder von vorne losging.
Sexuell zogen mich nur Frauen an. Jeder transidentische Mensch fragt sich irgendwann einmal, ob er nicht homosexuell ist. Das habe ich mich auch schon sehr früh gefragt. Aber ich habe nie Gefühle für Männer entwickelt. In meiner Jugendzeit gelang es mir trotzdem nur schwer, zu Mädchen ein unbefangenes Verhältnis aufzubauen. Dazu trug auch die Angst bei, dass sie meine geheime Neigung entdecken könnten. Erst während meines Studiums fand ich eine feste Freundin, die ich später heiratete und mit der ich bis heute zusammen bin.
Ich machte dann wie geplant Abitur und trat anschließend meinen Zivildienst an. Ich konnte mir nie vorstellen, zur Bundeswehr zu gehen. In mir sträubte sich alles gegen die Vorstellung, dieser ur-männlichen Domäne anzugehören. Nach dem Zivildienst begann ich mit einem wirtschaftswissenschaftlichen Studium, das ich ebenfalls planmäßig abschloss.
Auch während meines Studiums und während der ersten Jahre mit meiner Frau trug ich mein kleines Geheimnis in mir, ohne es herauszulassen und ihm nachzugeben, mit einer Ausnahme, die ich gleich ansprechen werde. Ich lebte in der festen Überzeugung, dass es keinen Weg für mich gibt, als Frau zu leben. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass meine Partnerin, meine Familie und meine Freunde mich als Frau akzeptieren würden. Es war vor allem die Angst vor den psychischen und sozialen Konsequenzen, die mich davon abhielten, diesen Weg ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Mein Bedürfnis nach stabilen sozialen Beziehungen und meine Schüchternheit standen allen Überlegungen im Wege, mein Leben als Frau zu gestalten.
Leben als Erwachsener
Nach dem Studium fand ich schnell eine Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter an einer Universität in einer Stadt im Ruhrgebiet. Dies war meine Traumstelle. Ich konnte forschen und meine eigenen Ideen verwirklichen. Nach ein paar Jahren hatte ich meine Dissertation fertiggestellt und mein zeitlich befristeter Vertrag war ausgelaufen. Da ich keine weiteren beruflichen Perspektiven für mich in der Hochschule sah, suchte ich mir eine neue Arbeitsstelle und fand sie sehr schnell in einer bedeutenden Behörde in Düsseldorf, wo ich bis heute lebe. Diese Stelle macht mir viel Spaß, weil sie eine große inhaltliche Herausforderung darstellt, mir sehr viel Gestaltungsspielraum lässt und mich mit interessanten Menschen im In- und Ausland zusammenbringt. Ich habe Verantwortung für sehr viel Geld und bin Chef eines kleinen Teams von lieben, intelligenten und engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
Meine Freundin, die ich während des Studiums kennen lernte, zog einige Zeit, nachdem ich meine erste Arbeitsstelle angetreten hatte, zu mir. Ein paar Jahre später heirateten wir dann auch. Vor 14 Jahren wurde unsere Tochter geboren, vor 11 Jahren unser Sohn.
Meiner Frau erzählte ich einmal zu Beginn unserer Partnerschaft, dass ich Probleme mit meiner männlichen Identität habe und viel lieber eine Frau wäre. Sie war sehr überrascht, aber durchaus aufgeschlossen. Trotzdem brachte ich für lange Zeit kein zweites Mal den Mut auf, mit ihr darüber zu reden. Im Nachhinein war dies wahrscheinlich ein Fehler, denn ich hätte mir und meiner Frau vieles leichter machen können, wenn wir uns damals ausgetauscht und zusammengerauft hätten. Außerdem habe ich ihr gegenüber bis heute ein schlechtes Gewissen, dass ich ihr vor unserer Heirat nicht ganz offen sagte, was mit mir los ist. Aber vielleicht war unsere Beziehung damals auch noch nicht stabil genug, um mit einer derartigen Situation klar zu kommen.
Inzwischen sind wir seit über 25 Jahren zusammen, davon 20 Jahre verheiratet. Unsere Partnerschaft hat wie alle anderen Höhen und Tiefen erlebt, aber die Krisen gut überstanden. Aus anfänglicher romantischer Liebe ist tiefes Vertrauen und Zuneigung geworden.
Es gelang mir auch als Erwachsener lange Zeit, meine Transidentität zu verdrängen. Wie dies möglich war, kann ich im Nachhinein nur schwer verstehen. Ich hatte genug Ablenkung durch meinen Job und durch meine Familie. Meine weibliche Seite war immer in mir präsent, aber sie war tief versteckt. Ich lebte in dem Gefühl, dass ich sie nicht herauslassen durfte, wenn ich mein Leben (und das meiner Frau und meiner Kinder) nicht zerstören wollte.
Erst vor 12 Jahren sprach ich meine Frau erneut auf meine Transidentität an. Ich hatte mir gerade einen Internet-Zugang verschafft und einige Seiten entdeckt, auf denen Transsexuelle und Transvestiten über ihre Erfahrungen und Gedanken berichteten. Jetzt merkte ich, dass dies keine extremen Exoten sind, sondern ganz normale Menschen mit Gefühlen, die ich nur zu gut kannte. Ich war fasziniert von der offenen Art des Umgangs mit ihrer Transidentität. Dies machte mir Mut, mich auch meiner Frau zu öffnen.
Spontan und vielleicht etwas unüberlegt und naiv erzählte ich ihr an einem schönen Sommerabend von meinen Gedanken. Sie erinnerte sich zwar daran, dass ich ihr vor Jahren schon einmal davon erzählt hatte. Da ich dieses Thema aber anschließend nicht mehr wieder angesprochen hatte, hatte sie angenommen, dass es verschwunden sei.
Zunächst reagierte sie interessiert und aufgeschlossen. Ich selbst kam mir vor, als schwebte ich auf Wolke sieben, denn endlich hatte ich mich getraut, mein tiefstes Geheimnis zu offenbaren. Ein paar Tage später wurde meine Frau aber von Panik und Verzweiflung ergriffen. Sie meinte, mit einer Frau könne sie nicht zusammenleben. Sie äußerte Angst vor der Reaktion von Freunden, Verwandten und Nachbarn. Es war, als würde ihre eigene weibliche Identität durch mich in Frage gestellt. Die ersten Wochen nach meinem Coming-Out vor meiner Frau waren die schwierigsten in unserer langjährigen Beziehung. Wenn diese jemals gefährdet war, dann in dieser Zeit. Wie bei so vielen Transgendern kontrastierte mein emotionaler Höhenflug mit einer tiefen Depression, die ich bei meiner Partnerin auslöste.
Ich fragte mich - und frage mich bis heute - ob ich transsexuell oder "nur" Transvestit bin. Durch die Reaktion meiner Frau war ich gezwungen, auf diese Frage eine schnelle Antwort zu finden, schneller jedenfalls, als ich es wollte. Hätte ich ihr zur Antwort gegeben, ich sei transsexuell und könnte mir mein künftiges Leben nur als Frau vorstellen, dann hätte dies das sichere Ende unserer Partnerschaft bedeutet. Das entsprach aber nicht meiner Gefühlslage. Ich war vollauf zufrieden mit der Perspektive, wenigstens gelegentlich meine weibliche Seite durch Make-up und das Tragen von Röcken und Kleidern auszuleben.
Mit dieser Perspektive rauften wir uns wieder zusammen. Meine Frau akzeptiert es, dass ich zu Hause androgyne oder feminine Kleidung trage. Wenn ich abends von der Arbeit nach hause komme, ziehe ich normalerweise eine Damenhose, eine schicke Bluse oder ein Shirt, Nylonstrümpfe und Damenschuhe an, manchmal auch einen Rock. Meine Frau hilft mir auch beim Einkaufen. Seit meinem Coming-out ist das Bummeln durch Boutiquen und die Damenabteilungen der großen Kaufhäuser zu einem gemeinsamen Hobby geworden. In meinem Kleiderschrank gibt es - neben den Anzügen und Krawatten, die ich im Büro tragen muss und als eine Art Berufskleidung betrachte - fast nur noch Teile aus der Damenabteilung. Wenn Besuch kommt oder wenn wir ausgehen (und ich auf den Anzug verzichten kann), habe ich mittlerweile Schwierigkeiten, noch etwas passendes zu finden, das mich nicht verrät.
Mehr und mehr wurde es zu einem Problem für mich, dass meine Tochter über meine zweite Identität nicht eingeweiht ist. In ihrer Gegenwart habe ich bisher auch feminine Hosen oder Blusen getragen, mit denen ich nicht in die Öffentlichkeit gehen würde. Röcke und Kleider habe ich vor ihr aber vermieden. Inzwischen ist sie aber in einem Alter, in dem ihr mein femininer Kleidungsstil auffallen würde. Ich werde sehr bald entscheiden müssen, ob ich mich auch ihr gegenüber oute. Nach den Erfahrungen mit dem Outing gegenüber meiner Frau ist mir davor bange. Als Vater trage ich eine große Verantwortung für sie und sie befindet sich in einem schwierigen Alter.
Lange Zeit bin ich nur selten voll gestylt als Anne ausgegangen. Das hat sich in den letzten zwei bis drei Jahren aber sehr geändert. Heute gehe ich mehrmals im Monat aus, oft zum Shoppen, ins Kino, Theater oder Museen, oder ich treffe mich mit Freundinnen. Ich habe nur noch wenig Hemmungen, an bestimmte Orte nicht als Frau zu gehen. Ich habe als Frau in Hotels eingecheckt und übernachtet und bin in zahlreichen Restaurants gewesen. Vor einigen Wochen habe ich mich sogar getraut, als Frau zu fliegen. Die lange Zeit vorhandene Angst vor dem Ausgang in die Öffentlichkeit, die auch meine Körperlänge (185 cm) bedingt war, ist heute weitgehend verflogen.
Wie geht es weiter?
Auch wenn meine Frau Anne toleriert und sie sie sogar als Freundin gerne zum Shopping mitnimmt, so schätzt und liebt sie in mir doch nur den Mann. Ihr wäre es am liebsten, wenn es Anne gar nicht gäbe oder wenn sie von Anne nie erfahren hätte. Ihre Toleranz ist nur möglich, weil unsere Beziehung insgesamt sehr stabil ist und weil sie weiß, dass sie mich nur haben kann, wenn sie auch Anne akzeptiert. Aber inzwischen, nach langen inneren Kämpfen, hat sie auch die Frau in mir voll akzeptiert.
Ich hatte gehofft, dass meine Frau mit der Zeit eine positivere Beziehung zu Anne aufbauen und sie auch als Freundin annehmen würde. Aber sie ist der Meinung, dass sie genügend Freundinnen hat und dass sie in mir den Mann braucht.
Ich selbst frage mich nach wie vor, vielleicht mehr denn je, was ich wirklich bin: Cross-Dresser, Transvestit, Transsexuelle? Um dies herauszufinden, habe ich eine Menge Literatur über dieses Thema verschlungen (siehe meine Literaturseiten). Außerdem habe ich die verschiedenen Tests zur Geschlechtsidentität durchgeführt, z.B. den COGIATI-Test. Hierbei landete ich lange Zeit im androgynen Bereich, zuletzt kommt aber immer öfter eine leichte transsexuelle Tendenz heraus. Das entspricht auch meinem Empfinden. Wenn ich neu geboren würde und die Wahl hätte, als Mann oder als Frau leben zu dürfen, würde ich mich mit gro0er Wahrscheinlichkeit für ein Leben als Frau entscheiden. Mein Leidensdruck mit meiner Rolle als Mann ist aber nicht so groß, dass ich nur als Frau glücklich werden könnte.
Ein vollständiger Wechsel in eine Frauenrolle, verbunden mit der Einnahme von Hormonen und einer Operation, ist nach wie vor nicht meine Perspektive. Jedenfalls würde das nicht meinem derzeitigen Lebensgefühl entsprechen. Würde ich diesen Weg einschlagen, dann würde meine Familie darüber zerstört werden. Meine Frau würde ihn nicht mitgehen, eine Trennung wäre unausweichlich. Dies würde gleichzeitig eine Trennung von meinen Kindern bedeuten. Welche Konsequenzen dies für meinen Job hätte, kann ich nur schwer abschätzen. Zwar würde ich ihn als Beamtin wahrscheinlich nicht verlieren. Aber es gibt ja viele versteckte Formen der Diskriminierung. Da ich eine Leitungsposition habe, stehe ich unter größerer Beobachtung und sozialer Kontrolle als andere. Der Leidensdruck mit meiner männlichen Rolle ist, wie gesagt, derzeit aber auch nicht so groß, dass ich nur in einer Frauenrolle leben könnte. Deshalb ziehe ich es - wenigstens vorerst - vor, offiziell als Mann weiter zu leben und von Zeit zu Zeit in eine Frauenrolle zu schlüpfen.
Wahrscheinlich bin ich transidentisch, aber nicht transsexuell, wenn damit der Zwang gemeint ist, nur in der dem biologischen Geschlecht entgegengesetzten Rolle leben zu können. Offensichtlich bin ich auch ein Transvestit, wenn damit nur gemeint ist, sich zu kleiden und zu schminken wie das andere Geschlecht. Bei mir ist das aber nur Ausdruck meines hohen weiblichen Anteils an meiner Identität. Mit Transvestiten, die einen Fetisch ausleben, sich aber im Innersten ganz als Mann verstehen, habe ich dagegen nicht viel zu tun. Auch all die Fantasien von Zofen, Bondage, SM, Lack und Leder, die oft bei Transvestiten vorkommen, sind mir sehr fremd.
Am meisten gefällt mir der Begriff "Transgender". Ich identifiziere mich mit dem weiblichen Geschlecht, habe aber nicht die Neigung, meinen Körper diesem ganz anzupassen, sondern suche nach anderen Wegen, um diese Identifikation auszuleben.
Auf welche Weise ich diesen Anspruch in der Zukunft verwirklichen möchte, ist mir noch nicht ganz klar. Ob ich mich auch weiterhin damit begnüge, in meiner Freizeit Frauenleidung zu tragen, weiß ich noch nicht. Ich bin in dieser Hinsicht offen. Ich spüre in mir das Bedürfnis, mehr Kontakte zu anderen Transgendern aufzunehmen. Vielleicht gelingt mir dies über meine Homepage, und du fühlst dich angesprochen. Über Deine Rückmeldung würde ich mich freuen. E-Mail: E-Mail an Anne